Die Technik von Fluginstrumenten schreitet rasant voran und die Hersteller überschlagen sich mit neuen Features. Darüber vergisst man leicht, dass sich die Anforderungen an ein Fluginstrument kaum geändert haben - und was man in der Praxis braucht und nutzt, spiegelt sich in der riesigen Menge der Meinungen nicht unbedingt wieder. Dass jemand Wettkampfpilot ist oder seit Jahrzehnten fliegt, untermauert sicher seine Kompetenz in vielen Flugfragen, ist aber nur bedingt auf die Instrumentenwahl übertragbar.

Vorneweg: es geht immer auch anders, billiger, schicker, und für jede Lösung findet sich sowohl eine Begründung als auch jemand, der sie mit Überzeugung verteidigt. Dieser Kurzleitfaden stellt halt meine professionelle Empfehlung dar, die freilich auf detaillierter Kenntnis so ziemlich aller bekannten Geräte und Konzepte der letzten 10 Jahre basiert. Sie ist markenneutral gehalten.

Worauf sollte man bei der Gerätewahl für einen "Allrounder" also achten?

Neu oder gebraucht?

Gerade Einsteigern wird oft geraten, doch zuerst mal mit einem gebrauchten Vario einzusteigen. Dabei wird gerne übersehen, dass diese meist deshalb auf dem Markt sind, weil sie vom Stand der Technik überholt worden sind oder der Verkäufer erkannt hat, dass er wichtige Kriterien übersehen hat (nicht ganz zufällig haben viele, die mit dieser Idee daher kommen, zufällig ihr letztes Gebrauchtgerät günstig abzugeben). Die meisten kaufen ihren zweiten Schirm lange vor dem zweiten Vario, weshalb die auf dem Markt befindlichen Geräte oft ein abenteuerliches Alter haben - oder von enttäuschten Besitzern stammen. Der Terminus "Einsteigergerät" darf deshalb getrost mit "Du wirst bald etwas anderes brauchen" übersetzt werden und es ist immer eine gute Idee, erst den eigenen Bedarf - und zwar für die nächsten Jahre - zu definieren und auf jeden Fall ein halbwegs aktuelles Gerät zu wählen, bevor man die Suche über die Art des Marktes einschränkt.

Fluginstrument oder Smartphone?

Smartphones sind verführerisch: erstens hat man i.d.R. bereits eins und die Apps gibt's umsonst, und zweitens sind sie heutzutage in so ziemlich jeden Lebensbereich vorgedrungen. Sie sind aber als alleiniges Instrument aus vielen Gründen ziemlicher Unsinn. Hier nur einige davon: die eingebauten Sensoren sind nicht fürs Fliegen gedacht und deshalb viel zu ungenau, die Ablesbarkeit ist wie die Akkukapazität sehr beschränkt, die Akustik taugt nichts, sie sind nicht sonderlich robust und die Bedienung im Flug kann sogar gefährlich werden. Kaum einer sinniert darüber nach, statt eines zertifizierten Schirms doch sein altes Leichtzelt umzunähen - aber als Fluginstrument wird alles Mögliche munter zweckentfremdet und gebastelt. Wer bei diesem Artikel angekommen ist, hat zum Glück schon weiter gedacht und fokussiert auf ein echtes Fluginstrument.

Komplettgerät oder Kombination?

Vieles kann man nachrüsten, zur Not auch mit einem zusätzlich an den Tragegurt geklipsten Smartphone. Ebenfalls beliebt sind externe Sensoren, die alleine piepsen und aufzeichnen, wobei sie ein Smartphone für die Anzeige nutzen. All dies bedeutet jedoch immer Gebastel am Start, Kompromisse in der Anwendung und erfordert zumeist ein Cockpit. Aber nicht nur Einsteiger sind gut beraten, überflüssige Ablenkung in der Flugvorbereitung und in der Luft zu vermeiden und zumindest in den ersten Jahren auf ein einzelnes, lieber etwas vielseitigeres Gerät zu setzen.

Spezialist oder Alleskönner?

Das gängige Prädikat "Alles können, aber nichts richtig" gilt zum Glück nicht für Kombivarios. Die Speziallösungen sollte man als Normalflieger hingegen sehr genau überdenken: sind beispielsweise die 100-150g Gewichtsunterschied den dauerhaften Verzicht auf eine komfortable Anzeige und gut bedienbare Tasten wert? Gleicht eine Solarzelle das Fehlen eines Displays wirklich aus (und hält sie überhaupt einen langen Flug unter Abschattungen durch)? Soll das Vario auch häufige Acroflüge über Wasser mitschreiben und deshalb dicht sein, oder kann man für das eine SiT im Leben auch aufs Vario verzichten? Übrigens sind auch viele "Spezialversionen für Einsteiger/Thermikflieger/Genußflieger..." Mogelpackungen - so wird lediglich das Weglassen von Funktionalität beschönigt, aber keine spezielle Eignung beschrieben. Das erste bzw. hauptsächlich verwendete Vario für den Normalpiloten sollte daher ein normales Kombivario sein.

Was sind die Mindestanforderungen?

Varios können vieles, aber einiges müssen auch die einfachsten richtig gut können. Das sind im Wesentlichen diese Funktionen:

  • Variometer
    Optische und akustische Anzeige von Steigen und Sinken. Die Akustik sollte nicht zu eklig sein, aber nicht überbewertet werden; man gewöhnt sich ganz schnell um. Ein klarer Sinkton ist wichtig, Sondertöne wie Near-Thermal- oder Retteralarme hingegen Quatsch. Eine Integration von 15-20 Sekunden ist optimal und sollte entsprechend einstellbar sein. Ein analoger Balken wird in der Praxis kaum genutzt und sollte daher nicht zu viel Bildschirmplatz einnehmen.
  • Höhenanzeige
    Neben einer prominenten Anzeige der Absoluthöhe zählt vor allem eine einfache Möglichkeit zu deren Kalibrierung, idealerweise automatisch. Wenigstens ein sehr gutes GPS, sehr viel besser eine (auch optionale) kartengestützte Starthöhenermittlung sind daher ein Muss.
  • Geschwindigkeit
    Die Geschwindigkeit über Grund ist ein sicherheitsrelevantes Merkmal, das freilich eines GPS bedarf. Sie dient u.a. der Landeplanung, dem Abschätzen von Gegenwindsituationen sowie dem Errechnen von echter Trimm- sowie Windgeschwindigkeit.
  • Gleitzahl
    Zu Unrecht unterschätzt wird die Anzeige einer gemittelten Gleitzahl über Grund. Gerade auf langen Querungen lässt sich mit dieser Anzeige, deren manuelle Errechnung wegen der nicht gemittelten Geschwindigkeit über Grund kaum möglich ist, der Flugstil erstaunlich gut optimieren. 

Ebenfalls wichtig:

  • Lufträume
    Auch wenn es am Hausberg keine geben sollte - irgendwann begegnet man ihnen, und die rechtlichen Konsequenzen einer Luftraumverletzung können schmerzhaft ausfallen. Alles, was dem ohnehin genug beschäftigten Piloten dabei hilft, diese zu vermeiden, gehört daher eigentlich zur Basisausstattung, will man nicht auf den Plan B eines zusätzlich mitgeführten Smartphones angewiesen sein. Das Wunschvario sollte also wenigstens leicht mit OpenAir-Luftraumdateien befüllbar sein und klar erkennbare Warnungen von sich geben; dezidierte Luftraum-Widgets sind besser.
  • Windgeschwindigkeit
    Zwar kann man diese mit einer einfachen Faustformel aus den Geschwindigkeiten während eines Kreises errechnen (ähnlich macht's auch die entsprechende Anzeige im Vario), aber das lenkt ab und man vergisst unterm Fliegen auch gerne, den Windversatz im Auge zu behalten. Höhenwinde können einen da leicht überraschen, besonders wenn der Übergang sanft vonstatten geht. Natürlich braucht es regelmäßig ein paar ruhige Vollkreise für eine Anpassung der Anzeige, und für die unmittelbare Landeplanung gelten nur Geschwindigkeit und Peilen.
  • Start- und Landeerkennung
    Eine zuverlässige, automatische Erkennung von Start und Landung ist Pflicht. Besonders an der Winde kann es ärgerlich sein, wenn man das Gerät zwischendrin auszuschalten vergisst und der Track ungültig wird. Dasselbe gilt, wenn man es erst im Flug einschaltet und z.B. Referenzhöhen nicht mehr stimmen. Auch darf ein langsames Vorankommen gegen den Wind nicht als Landung missverstanden werden.
  • Auslesbarkeit ohne Spezialsoftware
    Moderne Varios werden beim Anstecken an einen PC oder Tablet/Smartphone (per USB-OTG) als betriebssystemunabhängiger Massenspeicher (wie ein USB-Stick) erkannt, so dass man direkt auf die vom Vario selbst signierten Flüge zugreifen und sie z.B. hochladen kann. Eine leicht entnehmbare SD-Karte, auf die das Vario die Flüge speichert, geht gerade noch so als Kompromiss durch. Alles andere schränkt nicht nur bei der Wahl der Computer ein (für eine ganze Reihe Varios existieren nicht mal Ausleseprogramme unter OS/X oder Linux), sondern ist auch generell umständlicher. Achtung: Mac-Computer schreiben unangenehmerweise eigenmächtig versteckte Daten auf einen solchen Massenspeicher, was bestimmte Varios gar nicht gerne haben - aber gar keine Auslesemöglichkeit zu haben wäre noch schlimmer.
  • Sensorik
    Druckmesser und GPS müssen für den Flugbetrieb konzipiert sein - bei ersteren bedeutet das eine solide Driftkompensation und angemessene Dämpfung, bei letzteren hängt's u.a. am Chipsatz bzw. dessen Firmware, weil die Einheit für den Fall von Empfangsschwankungen ein Stück weit die Bewegung vorauszuahnen versucht. Die Sensoren in Smartphones, die auf bodengebundene Anwendung ausgelegt sind, sind dies ebensowenig wie die Komponenten vieler Bastellösungen. Derzeit in Mode, aber nur in sehr schwachen Bedingungen von Nutzen, ist die Einbindung weiterer Sensoren wie Lage- oder Bewegungsmesser, um ein schnelleres Ansprechen zu ermöglichen, doch darf man den Alltagsnutzen davon nicht überschätzen.
  • Bedienkonzept
    Wichtiger als welche Features man hat ist die Frage, wie leicht man im Flug an sie herankommt. Eine einfache und logische Benutzerführung, bei der Tastenbelegungen intuitiv und konsistent sind, die keine Mehrfachbelegungen, -tastendrücke oder von der Tastendrucklänge abhängige Funktionen aufweist und wo es auch immer einen schnellen Ein-Tasten-Weg zurück zum Flugmodus gibt, ist daher sehr wichtig.

Was macht die Alltagstauglichkeit aus?

Wie bei jedem Outdoor-Sportgerät sind es - sofern die Basisfunktionalität stimmt - weder die Features, noch die letzte Mode, die über den Nutzen entscheiden, sondern Kriterien wie diese:

  • Ladeanschluss
    Alles, was heute noch anders als per USB/Micro-USB geladen wird, bedeutet zusätzliches Geraffel auf der Reise. USB-Lader und -Powerbanks sind Standard; Finger weg von allem, was mit Extralader für Steckdose oder Auto daher kommt.
  • Bedienbarkeit mit Handschuhen
    Wenige, große, gut klickbare Tasten sind am besten, Folientastaturen mit vielen/kleinen am schlechtesten. Ein Touchscreen liegt irgendwo dazwischen: einerseits kann man den Benutzer hier besser führen und es gibt sogar handschuhgeeignete Bauformen, andererseits geht's mit dicken Handschuhen halt doch oft schief - nicht zuletzt, weil der Finger die Felder verdeckt, sofern man sie überhaupt trifft.
  • solide verankerte Sicherungsschnur, keine herausstehenden Teile
    Bei modernen Varios eigentlich selbstverständlich, aber bei älteren Varios/GPS durchaus nicht: eine Sicherungsschnur muss vorhanden, sicher im Gerät verankert sein, und es sollten keine Teile hervorstehen, an denen sich speziell bei Kniebefestigung beim Start oder den Vorbereitungen Leinen oder der Beschleuniger verfangen können.
  • robustes Design
    Start und Landung finden im Freien statt, und das Vario hat öfters als man glaubt auch rauen Bodenkontakt. Das Display sollte daher versenkt (eine Schutzfolie ist immer eine gute Idee) und die umgebenden Ränder nach innen abgeschrägt (sonst kommt es zu starker Schattenbildung am Displayrand) sein.
  • Ablesbarkeit
    Gleitschirmflieger müssen wesentlich stärker (das Instrument ist näher) als z.B. ein Autofahrer zwischen Nah- und Fernakkomodation "umschalten", der Unterschied im Öffnungswinkel des Auges zwischen Display und relevanter Umgebung ist ebenfalls größer als beim Auto, und die Instrumente sind näher. Deshalb ist die Verwendung kleiner Anzeigen oder gar Displays (Minivarios) im Flug unnötig ermüdend. Neben der Verwendung von kontraststarken Displays und der Vermeidung von Spiegelungen (ggf. mit Antireflexfolie) sind daher große Hauptanzeigen mit ergonomischen Schriftarten (keine zu dünnen Ziffern) ratsam.

Was es sonst noch so gibt...

...und warum man es nicht unbedingt haben muss. Manchmal ist es hilfreich, den praktischen Nutzen der diversen Optionen/Features in einem Satz zu beschreiben und daraus einen Schluss über das Verhältnis von Aufwand und Nutzen zu ziehen.

  • Windrichtung
    Windrichtungsanzeigen müssen nicht sein - wenn man aber welche hat, ist eine kursabhängige Grafikdarstellung als Pfeil oder Windsack vorzuziehen (Grad- oder Richtungsanzeigen erfordern ständiges Mitrechnen sowie ein zweites Element für die Flugrichtung auf dem Display).
  • Relativhöhen (AGL, über Start, über WP...)
    Haben wie auch Maximalhöhen einen gewissen Unterhaltungswert, sind für den Flug aber nicht nötig.
  • Navigation
    Viel diskutiert, aber in der Praxis erst für wirklich große Strecken oder aber am Anfang zum Abschätzen der Erreichbarkeit eines LP interessant. Falls vorhanden ist eine schnelle Wegpunktan- und abwahl während des Fluges wichtiger als eine Kartendarstellung.
  • Geländekarten (3D-Form)
    Viel unwichtiger als suggeriert - erstens sind sie das am schwierigsten vernünftig darstellbare Kriterium, und zweitens hat der Pilot die beste 3D-Terrainkarte gratis und in Farbe, indem er einfach nur nach unten schaut.
  • Topografiekarten (Orte, Bahnlinien, Strassen...)
    Für Flüge in unbekannten Gebieten durchaus hilfreich, aber trotzdem verzichtbar.
  • Luftraumkarten
    In der Draufsicht ein wertvolles Hilfsmittel, um beizeiten einen an der Luftraumgrenze optimierten Flugweg zu wählen (steil bedeutet ein plötzliches Flugende; Herumfliegen muss zeitig eingeleitet bzw. geplant werden). In der Seitenansicht speziell bei gestaffelten LR in den Alpen hilfreich, wenn man in den entsprechenden Höhen unterwegs ist.
  • Routen
    Werden gnadenlos überschätzt - im wirklichen Leben ändert sich der Plan viel zu oft. Allenfalls als sehr sparsam gewählte Eckpunkte für ganz große Aufgaben ergeben sie Sinn, aber dann muss man trotzdem während des FLuges leicht Wegpunkte auslassen können. Und Routen über "Thermikpunkte" sind sowieso der größte Unfug.
  • Thermikassistenten/Zentrierhilfen
    Besser/hilfreicher als ihr Ruf, aber das hängt sehr von der Ausführung ab. Eingefärbte FLugspuren sind am schlechtesten, rotierende Optimalpunkte oder Steigzonen funktionieren am besten. Geht aber ebenfalls prima ohne.
  • Wettkampf
    nur für Spezialisten, die aber meist eh mit einem Reservegerät fliegen und deshalb eher irgendwann ein Topgerät hinzukaufen

Nachwort

Wenn man in kürzester Form zusammenfassen will, worauf es beim Variokauf ankommt, dann sähe das in etwa so aus:

  1. mach' Dir Deinen Bedarf für die nächsten 2-4 Jahre klar
  2. bau' Dir anhand des hier Gesagten eine Checkliste zusammen
  3. geh' mit dieser in den Markt bzw. zum Händler
  4. lass Dich nicht von Features, die nicht in Deiner Liste stehen, ablenken
  5. plane genug Zeit zum Erlernen und Üben der Bedienung am Boden ein

dann passt's auch.

Dieser Artikel greift übrigens - in verkürzter Form - einen kleinen Teil des Fluginstrumente-Seminars heraus; die meisten seiner Inhalte sind in ausführlicherer Form auch in den letzten Jahren im DHV-Magazin erschienen. Eine Artikelreferenz wird demnächst auf die Seite gestellt.