Wenn das Handy streikt – Notfallsender im Vergleich (2011/2013)

Ein wichtiges Thema (nicht nur) für Streckenflieger ist die Frage, wie man in einem Notfall auch ohne Handyverbindung Nachrichten absetzen, gesucht und gefunden werden kann.

Hierzu gibt es zwei Ansätze: Notfallsender und Livetracking. Notfallsender nutzen Satelliten, um unabhängig vom Handynetz Nachrichten mitsamt Position zu versenden. Hinzu kommt ein Button für den Direktlink zu einer SAR-Zentrale (=Search and Rescue), die dann die eigentlichen Rettungsdienste benachrichtigt. Deren Kosten wiederum sollen meist mit angebotene Versicherungen abfedern, die jedoch i.d.R. im Kleingedruckten Gleitschirmflieger ausschließen (Ausnahme: SaFly). Freilich muss eine Bergungskostenversicherung überhaupt nicht vom Gerätelieferanten kommen…

Livetracking wird nicht nur bei immer mehr Wettkämpfen angeboten bzw. verlangt; auch Normalpiloten nehmen die oft günstigen Angebote immer mehr an. Die Übertragung erfolgt üblicherweise per GSM/GPRS, die Technik beruht auf Handys oder einem meist besser exponierten GSM-Tracker oder Vario (z.B. Flymaster Live). Sofern sich jemand für die Tracks interessiert, bieten diese auch eine rudimentäre Notfallunterstützung – in der Praxis ist die Entscheidung, ob der vermisste Kumpel gerade mit leerem Handyakku trampt oder aber in der Nähe des letzten bekannten Trackpunkts abgestürzt ist, aber manchmal schwer.

Auch satellitengestützte Notfallsender wie SPOT oder DeLorme ermöglichen Tracking – aber nur auf proprietären Webseiten und oftmals in einer für Flieger eher schlechten Qualität (10-Minuten-Intervall, teilweise keine Höhen). Eine Sonderstellung nimmt der DSX SaFly ein – ein leider sehr teurer Satelliten-Notfallsender, der auch für seine Trackingfunktionen bei Verfügbarkeit automatisch ein GSM-Netz verwendet.

Ein wichtiges Kriterium ist die Satellitenabdeckung: das preiswerte GlobalSat-Netz deckt beispielsweise Südafrika nicht ab, funktioniert aber auch schon teilweise in Norwegen nicht mehr. Das von Expeditionen genutzte Iridium-Netz hingegen erstreckt sich tatsächlich über die ganze Welt, wird aber nur von zwei Anbietern (DeLorme und YellowBrick) genutzt. Irgendwo dazwischen liegt die Notwendigkeit, auch mal „mitteldringende“ Nachrichten trotz fehlendem Netz loszuwerden: bei einem Gerätedefekt, wenn ein Rückholer gebraucht oder auch nur eine lange Wanderung ins Tal angetreten wird, ohne dass gleich ein Rettungsmarathon starten soll. Handys können das natürlich immer leisten – solange ein Netz verfügbar ist. Notfallsender auch, aber nur relativ unflexibel: Nachrichten und Empfänger müssen vorher konfiguriert worden sein.

Die Möglichkeiten, all diese Bedürfnisse mit einem Gerät abdecken zu können, sind begrenzt. Notfallsender haben die mit Abstand beste Reichweite, sind aber für Tracking meist zu teuer oder ungeeignet, und in ihrer Nachrichtenvielfalt begrenzt. GSM-gestützte Livetracking-Devices sind entweder vielseitiger und dafür wenig verläßlich (Handys), oder genau auf diese Aufgabe zugeschnitten und damit nicht für Anderes nutzbar (GSM/GPS-Livetracker). Und selbst wenn ein Handy zum Livetracken – verlockend, weil man’s halt schon hat – in der Jackentasche hierfür noch hinreichend gut funktioniert hat, ist dann womöglich gerade im Notfall der Akku leer. Es liegt also sehr nahe, für Livetracking und Notfallhilfe getrennte Geräte zu verwenden– und selbst dann sollte man nochmals darüber nachdenken, ob ein Handy wirklich zum Livetracken geeignet ist. Immerhin wird aber bereits klar, dass Livetracking keine echte Notfallversicherung darstellt und der Fokus daher auf die Notfallsender zu legen ist. Und auch hier ist es noch lange nicht mit der Entscheidung für einen Satelliten-Notfallsender getan. Immerhin möchte man von diesem

  • eine gewisse Sicherheit, dass Notruf oder Nachricht auch empfangen worden sind (2-Wege-Kommunikation)
  • möglichst große Flexibilität bei der Nachrichtenwahl (am Start, gelandet & ok, Rückholer benötigt, Notfall…)
  • dass er bei unfallbedingt passivem Piloten auch angerufen/geortet werden kann
  • vertretbare Kosten

Eine weitere Art Gerät kombiniert die Satellitenkommunikation für den Notfall mit der Vielseitigkeit eines Handys. Der SPOT Connect beispielsweise stellt einem vorhandenen Smartphone kurzerhand die Satelliten für SMS zur Verfügung und besitzt sogar einen eigenen SOS-Button. So kann man beliebige SMS verfassen und per Smartphone, nur eben über Satellit, versenden, wenn kein Netz verfügbar ist – und bei vorhandeme Netz kann man gleich das Handy nehmen. Allerdings geht ohne das aufgeladene und intakte Smartphone außer SOS gar nichts mehr.

Fazit: bereits die einfachste Variante, der SPOT Messenger, bringt ein erhebliches Sicherheitsplus für den Outdoorsportler und ist mit Einschränkungen auch für Gleitschirmflieger nutzbar. Deutlich vielseitiger vor allem für den Alltag ohne lebensbedrohlichen Notfall (Stichwort Rückholer oder die Info für Lieben daheim) zeigen sich Geräte, die ein Smartphone im Notfall einfach um Satellitenkommunikation erweitern; hier hat der Ende 2011 auf den Markt gekommene DeLorme InReach auch aufgrund seiner Standalone-Nutzbarkeit die Nase weit vorne.

Mittlerweile (2013) gibt es mit dem YellowBrick eine weitere Iridium-Alternative, die nur bei Bedarf abgerechnet wird, PrePaid-Zahlung verlangt, jedoch als Standalone-Gerät mit ca. 550€ aufwärts recht teuer ist. Und auch DeLorme hat nun mit dem InReach SE eine Standalone-Variante mit freier Nachrichteneingabe und -anzeige im Programm, welche für ca. 250€ erworben werden kann.

Das technische Nonplusultra ist zweifelsohne der DSX SaFly, der Satelliten und GSM-Netze nach Bedarf kostenoptimiert nutzt und von Barosonde bis signiertem IGC allerlei Zusatzfunktionen bietet. Freilich hat man für diese meist schon Geräte, und man sieht der Preisgestaltung (990€ für die aktuell günstigste Version) wie auch den Antennenanschlüssen an, dass er ursprünglich für einen ganz anderen Einsatzzweck (Flugzeuge) gebaut worden ist. Und die Nachrichtenflexibilität fehlt immer noch. Livetracking hingegen bleibt außer für Wettkampfsportler vorerst eine nette, immerhin jedoch dank der meistens bereits vorhandenen Hardware recht preiswerte, Spielerei, deren theoretischer Notfallnutzen wenigstens ein gutes Gefühl gibt.

Hier die Vergleichsgebnisse im Einzelnen (Preisangaben sind Rechenbeispiele ohne Gewähr und gehen nicht in die Bewertung ein, und die Benotung ist natürlich subjektiv). Für Gleitschirmflieger möglicherweise bedeutsame Beschränkungen sind rot hervorgehoben:

 
SPOT2 Messenger SPOT Connect DeLorme Inreach (f.Smartphone) DSX SaFly V3 Sport GPS-Handy zum Vergleich
Satellitennetz GlobalStar GlobalStar Iridium GlobalStar
(weltweit) nein nein ja nein
GSM/GPRS SIM & Empfang nötig SIM & Empfang nötig
Abdeckung (30%)  2.5 2.5 1.0  2.0  4.5
Direktanruf zu 7/24/356-SAR-Zentrale ja ja ja ja nur mit App
Direktanruf per Button ja ja ja ja
SMS/Mail mit Koordinaten ja ja ja ja nur mit App
2-Wege (Empfangsquittung) nein nein ja ja ja
anrufbar („wo bist Du?“) nein nein per Website direkt direkt
Notfalltauglichkeit (25%) 2.5 2.5 1.5 1.0 3.0
wasser- und staubdicht ja ja ja ja variabel
schwimmfähig ja
Einhandbedienung mit Handschuhen ja entfällt (Handy!) ja ja
Outdoor (10%) 2.0 2.0 1.0 2.0 n/a
Vorkonfigurierte Nachrichten 2 + SOS 2/14 + SOS 2 + SOS 1 + SOS
Im Feld frei gestaltbare Nachrichten nein mittels Smartphone mittels Smartphone nein ja
Im Feld änderbare Empfänger nein mittels Smartphone mittels Smartphone nein ja
Standalone-Betrieb ohne Handy ja nein ja ja entfällt
Flexibilität (25%) 3.0 2.0 1.5 3.5 1.0
Benutzerführung (10%) 2.0 2.5 2.0 3.0 variabel
Display  gegen Aufpreis ja
Zusatzfunktionen Signierte IGCs, Barosonde, LK8000-Zuspielung, Flugzeugantennen, DSMS-Empfang auf Display
Bemerkungen Android & iOS Android & iOS Warnung: versehentliche Aktivierung des Trackings ohne entspr. Paket kann teuer werden.
Gesamtnote 2.53 noch gut 2.30 gut 1.35 sehr gut 2.23 gut n/a
Fazit Preiswerter Einstieg in die satellitengestützte Notfallhilfe; nicht unbedingt auf Flieger zugeschnitten (2D). Erweitert ein Smartphone um Satellitenkonnektivität, dadurch sehr vielseitig, ist aber auch weitgehend auf dieses angewiesen. Optimale Kombination aus Vielseitigkeit und  Notfallfunktion, aber hohe Betriebskosten. Trotzdem Testsieger. Besondere Qualität und viel Zusatzfunktionalität, aber auch sehr hoher Anschaffungspreis. Nur Deckung des Grundbedarfs mit eingeschränkter Zuverlässigkeit und Nutzbarkeit; halt nur Kompromißlösung.
Basisdienste mit Livetracking (pro Jahr, EUR, Beispiel ohne Gewähr) 139 2D, 200 Nachr. 139 2D, 200 Nachr. 250 3D, 480 Nachr. 150 3D, ? Nachr. nur Verbindungskosten
Basidienste ohne Livetracking (pro Jahr, EUR, Beispiel ohne Gewähr) 99 200 Nachr. 99 200 Nachr. ~100 (120 US-$) 120 Nachr. 150 ? Nachr. nur Verbindungskosten
Gerätepreis incl. Versand 179 199 ~260 (300 US-$) 990 variabel